- Lenni
Walter, immer walter ...
Ein Kommentar!

„Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten!“ (Albert Einstein)
Was hatte er denn für Startbedingungen, dieser Fußballlehrer Tim Walter?!
Mit mickrigen Vorschusslorbeeren kam er in der Sommerpause in den aufstöhnenden Volkspark. Ein Ruf, so melodiös wie das Krächzen einer Krähe, eilte ihm voraus und so war einem Großteil der HSV-Anhänger vor dem ersten Punktspiel bereits klar, dass Herr Walter lediglich leichtes Gepäck für seinen Abstecher an die Alster bräuchte.
Außer Starrsinn, Scheitern und Lernresistenz gäbe die Visitenkarte nicht viel her, so seine Kritiker.
Auch ich hatte enorme Zweifel, besann mich aber meines Vorsatzes, das genetisch veranlagte, hsveigene Lamentieren erst mit dem angemessenen Timing vom Stapel zu lassen.
Irgendetwas ist doch schief mit dem Walter. Er ist so merkwürdig hybrid: altbacken und unbekümmert, traditionell und innovativ, verschroben und offen! Dazu eine Ausstrahlung, die man schräg oder liebenswert finden kann.
Er ist so anders als der eloquente Thioune, der mit seinem tiefen Timbre und dem Brustton der Überzeugung, rein menschlich viele Fans für sich gewinnen konnte. Tim Walter spricht eher die Sprache der Fußballer, was aber nicht das Schlechteste ist, wenn man eine Fußballmannschaft trainiert. Und er pendelt in seiner spieltaktischen Herangehensweise irgendwo zwischen autistisch und entfesselt. Obwohl, dies tat er zu Beginn der Saison, inzwischen ist das Wilde etwas eingehegt. Dennoch scheint da jemand sehr von seiner Spielidee überzeugt zu sein.
Was würde Herr Einstein zur Causa Walter/HSV sagen?
a) „Walter macht den gleichen Unfug wie in Kiel und Stuttgart … sein Scheitern ist vorprogrammiert!“
b) „Wenn der HSV den gleichen Unfug des Hire & Fire der vergangenen Jahre weiter betreibt, wird sich da gar nix entwickeln!“
Kann sich der HSV einen Trainerwechsel überhaupt leisten? Dieser marode Kahn, der mit wirtschaftlichem Mastbruch in der zweiten Liga vor sich hindümpelt, ist soweit von Europa entfernt, wie Dino Hermann von einer Partie Mikado mit Harry Hummel. Down and out … nothing more, nothing less!
Der Hamburger Sport-Verein, respektive die ausgegliederte Fußballabteilung, hat eine immense Aufgabe vor der Brust. Es muss nicht nur ein Weg in einen soliden Haushalt gefunden werden, es braucht auch ein neues tragfähiges Fundament für den Profifußball, nachdem sich das Selbstverständnis des Unabsteigbaren in Luft aufgelöst hat und sämtliche Bemühungen, das Image von Seriösität und Souveränität aufrechtzuhalten, im Treibsand öffentlicher Demütigung versickert sind.
Uns bleibt nur noch die verzweifelte Möglichkeit mit den verbleibenden Brotkrumen einen kleinen Kuchen zu backen! Es bleibt letztlich nur die Entwicklung einer neuen Identität! Machen wir uns nichts vor, es wird Jahre in Anspruch nehmen.
Wie immer gibt es verschiedene Kräfte, die diesen Prozess blockieren können. Da sind beispielsweise die Medien zu nennen. Stets auf der Jagd nach Dramen und Tragödien wird schon frühzeitig an der Lunte gezündelt und das Halali geprobt.
Dystopien und der bevorstehende Supergau sind dem HSV-Anhang zwar nicht fremd, bringen ihn aber nach wie vor in emotionale Turbulenzen. Und so bilden unzufriedene Fans und die plakative Berichterstattung ein unsägliches Perpetuum-mobile, insofern, als das die miese Stimmung in der Fanbase, die die Medien in ihrer undifferenzierten Erzählung mitverantworten, als Beleg genommen wird, dass etwas gehörig schief läuft im Volkspark!
Die volle Wucht kann sich aber auch hier nur entfalten, wenn die Vereinsverantwortlichen die Deutungshoheit über das Geschehen den Medien und den unzufriedenen Anhängern überlassen. Es bedarf schon einer erheblichen Ich-Stärke und zudem einer gewissen Geschlossenheit auf der Führungsetage, um sich diesem äußeren Stress zu widersetzen.
Wieviel Fliehkräfte dürfen in den vereinsinternen Gremien wirken, ohne dass der Laden auseinanderdriftet?
Und dann gibt es ja noch die Erwartungshaltungen, die einen gewissen Handlungsdruck erzeugen. Wird der HSV, aufgrund seiner ruhmreichen Historie, als natürlicher Aufstiegsaspirant gehandelt, bedeutet dies sogleich eine schwindelerregende Fallhöhe. Aber würde es Sinn machen, den Druck aus dem Kessel zu nehmen und von Plätzen unterhalb der Aufstiegsschwelle zu faseln? Dies würde doch in eklatanter Weise dem Gedanken der zu etablierenden Leistungskultur widersprechen. Es ist und bleibt ein kommunikativer Drahtseilakt.

Also, der HSV ist ziemlich am Arsch und alles andere als ein eindeutiger Aufstiegskandidat. Und dennoch zeigen sich hier und da kleine zarte Knospen, die Hoffnung geben.
Der Kader ist mit jungen, motivierten und (von mir aus auch) hungrigen – Spielern aufgebaut. Viele Akteure verfügen über ein offensichtliches Entwicklungspotential, sind lernbereit und drängen in die erste Mannschaft. Einige haben ihre Wurzeln in der Talentschmiede des HSV und bringen daher ein enormes Identifikationspotential in den Kader. Und es ist nicht zu übersehen, dass die Spieler physisch stets ans Limit gehen, ihr Herz auf dem Platz lassen, wie es so schön heißt. Wenn das nicht der verheißungsvolle Anfang ist, den sich alle in den letzten Jahren gewünscht haben.
Im besten Fall verinnerlicht diese junge Garde im Laufe der nächsten Monate ein Spielsystem, das modern und attraktiv für den Zuschauer ist, und über das die jungen Wilden Schritt für Schritt das Rüstzeug für den rauhen Liga-Alltag erwerben. Rückschläge sind selbstverständlich einkalkuliert, keine Entwicklung verläuft fehlerfrei, denn Fehler sind eine unabdingbare Voraussetzung für die erfolgreiche Reifung. Insofern ist Geduld gefragt!
„Geduld“ - ein Begriff der aufgrund seiner inflationären Nutzung bereits wie eine faule Ausrede gehandelt wird, was allerdings beweist, dass es manche Diskursteilnehmer nicht so mit der Geduld haben.
Diese junge Mannschaft muss von einem Trainer geführt werden, der die Entwicklung der Spieler offensiv vorantreibt, sie fördert und fordert, und mit dem notwendigen (Selbst-)Vertrauen auf den Platz schickt. Und hier schließt sich der Kreis, denn Tim Walter erfüllt als Trainer eben diese Kriterien, die in einem solchen Ausbildungsverein gefragt sind, um über Transfererlöse wirtschaftlich langsam zu gesunden.
„Jugend forscht“ ist ein integraler Bestandteil seines Wirkens als Fußballlehrer.
Das Spiel, so wild und erratisch es bisweilen anmutet, ist oft genug spektakulär.
Die Spielidee ist komplex, wirkt aber mit allen Vor- und Nachteilen, in ihrer Anlage innovativ.
Und last but not least, bietet dieser Weg in vielerlei Hinsicht das Potential eine neue Vereinsidentität wachsen zu lassen.
„Solange die Mannschaft an ihren Trainer glaubt und ihm folgt, ist es richtig, den eingeschlagenen Weg der Entwicklung mit Tim Walter weiter zu gehen, um auf Sicht wieder erfolgreiche Ergebnisse zu erzielen.“ (Albert Einstein)