Carsten
ES WIRD EIN SONNIGER DIENSTAG IM HERBST SEIN
Toleranz im Fußball. Altes Interview – aktuelles Thema
In unser HSVSchnack Ausgabe 2 im Jahre 2014 haben wir uns mit dem Thema "Homophobie im Fussball" beschäftigt und dazu ein Interview mit Marcus Weibisch, dem Sänger von Kettcar zum Thema und seinem Song "Der Tag wird kommen" gemacht.
Wie die Euro 2020 und die UEFA und ihre teils homophoben Ausrichterländer zeigen, ist es leider auch heute, sieben Jahre später, immer noch ein sehr aktuelles Thema.

Woher hast Du die Ideen und die Infos für den Song „Der Tag wird kommen“ bekommen?
Marcus Wiebusch: Ich besuche seit über 25 Jahren die Heimspiele meines Vereins (FC St. Pauli) und sitze dort seit vielen Jahren neben meinem Bruder, der homosexuell ist, und wir haben immer schon über das Thema diskutiert.
Entscheidend war aber ein Gespräch mit einem Sportjournalisten, der mir von homosexuellen aktiven Profis berichtete und dem Höllenleben, das diese führen. Dann habe ich halt im September 2013 damit angefangen zu recherchieren, mit weiteren Journalisten geredet und so den Text aus insgesamt fünf Quellen erarbeitet.
Eine große Hilfe war dabei auch unser Ex-Präsident Corny Littmann, der - als der Text dann fertig war - nochmal bestätigt hat, was ich in dem Text raushaue.
Fans und Vereine zeigen Flagge gegen Homophobie
Wie waren die Reaktionen der Vereine und der Fanbeauftragten auf Deine Anfrage, ob Fans in dem Kurzfilm mitspielen und so Flagge gegen „Homophobie“ zeigen wollen?
Es war ganz unterschiedlich. Viele Vereine haben sofort Unterstützung zugesagt, andere Vereine waren zu- rückhaltender, und einige wenige haben sich gar nicht gemeldet. Für einige Vereine war es scheinbar ein Problem, dass sie glaubten, dass nicht genug Fans mitmachen würden und dass das dann nicht gut aussieht. Mir war und ist es aber viel wichtiger, dass Fans Flagge zeigen, und wenn es am Anfang wenige sind, so sind sie doch da, haben eine Haltung und stehen für ihre Meinung auch in Verbindung mit ihrem Verein.
Beim HSV war es spannend, weil ich feststellte, dass der Fanbeauftragte ein Bekannter aus alten Punk-Zeiten war. Hier hat die Organisation sehr gut geklappt, auch wenn am Ende nur sechs Fans beim Dreh dabei waren. Aber wie gesagt, es kommt nicht auf die Zahl an.
Wie waren die Reaktionen auf das Lied und das Video?
Die Reaktionen waren sehr positiv. Es haben tatsächlich alle Erstligisten das Video über ihre Facebook Seiten verlinkt, auch die, die nicht am Dreh beteiligt waren.
DAS KANN NUR AUS DER KURVE SELBER KOMMEN.
Was meinst Du können Vereine und Fans tun, damit wir schnellstmöglich die Homophobie aus den Stadien verbannen können?
Meine Hoffnungen ruhen da eher auf den Fans, als auf den Funktionären auf Vereinsseite. Man kann von Fanseite unwürdige, rassistische Zustände wie zum Beispiel, dass Affenlaute ertönen, wenn ein schwarzer Spieler am Ball ist, in den Griff kriegen. Und genauso kann man eine Haltung zeigen, wenn Idioten ihre homophoben Tiraden raushauen. Das kann nur aus der Kurve selber kommen und da geregelt werden. Und wie ich in meinem Song ja auch sage, den meisten Fans ist es ja auch vollkommen egal, ob jemand schwul ist oder nicht. Die wollen nur Leistung sehen.
Wichtig ist auch zu erkennen, dass in dem Spannungsfeld „Homosexualität und Fußball“ einiges im Wandel ist. Es gibt mittlerweile bei jedem Bundesligisten mindestens einen lesbisch/ schwulen Fanclub, was vor 10 Jahren noch undenkbar war. Viele Ultra-Gruppen, die sich gegen jede Art von Diskriminierung einsetzen, setzen mittlerweile deutliche Signale gegen Homophobie im Fußball.
In München gibt es z.B. Kooperationen zwischen Schickeria und QUEERPASS BAYERN, um Choreos und gemeinsame Aktionen zu machen. Von den Vereinen müssen klare Ansagen kommen, falls es in Teilen des Vereins zu homophoben Aussagen kommt. Hier darf es nicht mehr zu Äußerungen wie von Rudi Assauer vor ein paar Jahren kommen 1) , und dann keine klare Linie des Vereins dazu geben.
In der Gesellschaft ist der Wandel weg von der Homophobie im vollen Gange und auf einem guten Weg, wann glaubst Du wird es im Fußball so sein?
Ich kann hier keinen Zeitraum nennen, ich kann nur so viel sagen, dass der Song nicht als Aufforderung gedacht ist, dass sich homosexuelle Fußballer JETZT outen sollen und müssen. Das ist eine Sache, die jeder für sich ausmachen müsste. Das Beste wäre es gewesen, wenn sich nach dem Titelgewinn im Sommer 2-3 Spieler hingestellt hätten und gesagt hätten: Wir sind Weltmeister und schwul. In einer Gruppe wäre es sicher leichter, mit dem auf alle Fälle entstehenden Druck klar zu kommen.
Und die obligatorische Schlussfrage, wann wird der Tag kommen?
Dann auch die obligatorische Antwort: Es wird ein sonniger Dienstag im Herbst sein, ich weiß aber nicht in welchem Jahr.
1) Rudi Assauer hatte sich gegenüber dem ‚Express‘ 2010 dahingehend geäußert, dass schwule Profis sich eine andere Aufgabe suchen sollten, weil das im Profifußball nicht funktioniere.
MARCUS WIEBUSCH
Marcus Wiebusch ist ein deutscher Sänger, Gitarrist und Songwriter, Frontmann der Indie-Rock-Band Kettcar und Mitgründer des Independent-Labels Grand Hotel van Cleef (www.ghvc.de).
Im Frühjahr 2014 erschienen der Song und der Kurzfilm „Der Tag wird kommen“, der sich mit dem Thema Homophobie im Fußball beschäftigt.