Jens
KICK KULINARISCH
Kein Fussi ohne ergänzende Nahrungsaufnahme. Ein Streifzug am Spieltag – davor und danach.
Trist war's die letzten 16 Monate...die kulinarische Begleitung des Kicks im TV musste sich auf Selbstgekochtes oder Takeaway beschränken. Nun haben gerade die Takeaway-Angebote in der Hochphase der Pandemie massiv an Vielfalt und Attraktivität gewonnen. So war es bis Anfang 2020 wohl mit der Ausnahme von Enten- oder Gänsebraten kaum denkbar, sich ganze Menüfolgen vorbereitet aus dem Restaurant zu holen und zuhause fertig zuzubereiten. Im Ergebnis wurde die ewige Pizza-Döner-Croque-Kette um eine ganze Reihe von spannenden Angeboten ergänzt; die Kreativität vieler Gastronomen im Angesicht der Krise war in Teilen bewundernswert. Dazu aber ein anderes Mal, ich schweife ab. Heute möchte ich nur in Kürze meine persönlichen Klassiker der Spieltagsbegleitung vorstellen. Da man heute ja aufpassen muss wie ein Schießhund: Ja, das mag irgendwie Werbung sein, ist aber selbst gekauft, gezahlt und von den genannten Gastros nicht beauftragt worden, sondern nur das verdiente Lob für gute Dinge!

An dieser Stelle soll ein wahrer Klassiker der gehaltvollen deutschen Küche das erste Wort haben, wuchs er mir doch als eine Art Methadon in den letzten dunklen Monaten ans Herz und trug den Duft des Stadions nach Hause: Currywurst-Pommes, rot-weiß natürlich. In meinem persönlichen Fall abgeholt von de Fries, einem der letzten wahren Imbisspavillons, mitten im bürgerlichen Zentrum Volksdorfs.
Die Wurst in zwei verschiedenen Formaten stellt auch quantitativ anspruchsvollere Esser auf die Probe, die Sauce ist mit der notwendigen exzellenten süßlichen Schärfe versehen, und die Pommes kommen im klassischen Blockformat. Anstatt traurig, dünn und labberig aus einem Pappkarton zu blicken, erhalten sie hier die adäquate folienbeschichtete Tüte, die sonst fast nur noch dem Grillhähnchen vorbehalten ist. Mit dieser Platte vorweg werden selbst Spiele wie Darmstadt (H) oder Osnabrück (A) zu einem Leckerbissen.
Die Zeiten werden aber kommen, da auch der Spieltag selbst wieder Highlights parat halten kann. Vorab finde ich einen Stoppover in der im Gasthaus der Ratsherrn Brauerei 'Altes Mädchen' in den Schanzenhöfen eine willkommene Spieltagseröffnung, zudem anreisetechnisch günstig direkt an der S-Bahn-Station Sternschanze gelegen. Exquisite Biere mit handfesten Speisen in Industriechic Ambiente. Alles natürlich sehr stylish, zeitgeistig und tendenziell – nicht durchgehend – eher von Anhängern der Anderen frequentiert, ist diese Lokalität ganz sicher etwas, das man auch Gästen aus der Ferne mit Freude und ein bisschen Stolz auf die Heimat zeigen kann. Biertipp: Moby Wit Belgian White Ale - Sommersieger!

Am Stadion selbst wird die kulinarische Vielfalt dann etwas eingeengt: Na gut, ein bisschen mehr Kreativität würde man sich hier schon manchmal wünschen, aber die Klagen darüber halten sich dann doch in eng gesteckten Grenzen.

Unser Anlaufpunkt: 'Knappis' in der Schnackenburgallee, nur noch handgestoppte 7 Gehminuten zum Aufgang Nordost. HOPIHALIDO meets HSV Schlückchen, die Auswahl an alkoholfreien Getränken ist – das muss man leider so feststellen – bescheiden. Das Bier ist (meist) kalt, selten alle und klassisch im Umweltsünderformat Weißblech gehalten. Auch hier noch Luft nach oben, aber es ist die klassische Gästemischpoke, die mit ihrem rauhen norddeutschen Charme überzeugt und Atmosphäre schafft. Man kennt sich, man schätzt sich, man prostet sich – meist – dezent zu und analysiert die Dinge der kommenden oder abgelaufenen 90 Minuten, die ohnehin nicht zu ändern sind.
Da ist das Ambiente auf der letzten Station der heutigen Kurzreise doch deutlich gediegener: Mit 0 bis 3 Punkten im Gepäck begibt man sich auf die Bahnfahrt ins Ungewisse, an den Rand des Dunkels, wo Menschen in schlammigen Farben die Überhand nehmen, die Lichter grell leuchten, und die (grauenvolle) Musik aus Boxentürmen wummert, als ob sie deinen mit gewisser Wahrscheinlichkeit eher mittelmäßig verlaufenem Spieltag nochmal so richtig verlachen will. Der Dom. Zwischen den Fahrgeschäften, Losbuden und Wurstständen liegt seit ewigen Zeiten ruhig wie ein Fels in der Brandung 'Die Kajüte' . Dunkel schimmert das Mahagonifurnier, verziert mit Tauwerk und reichlich Messinggedöns. Ob nun Kitsch oder Überzeugung, will man eigentlich gar nicht wissen, es tut nichts zur Sache. Der hintere Gastraum eine holzumhüllte Oase, die Getränke gepflegt zubereitet, der Service aufmerksam und schnell. Essen gibt's nicht, aber es ist kein Problem, seine Schmalzkuchen selbst mitzubringen. Eigentore, Lattentreffer, wirre VAR-Entscheidungen oder Wechselfehler verschwimmen hier in Raum und Zeit, sie werden so bedeutungslos wie der Platzregen oder der böse Ostwind, die dir heute zugesetzt haben ...

Soweit für heute – ich freue mich sehnsüchtig auf diese Erlebnisse und Szenerien, die ich schon sehr vermisst habe.
Wer sind eure Favoriten und Empfehlungen, welches sind eure Geschichten? Wir sind gespannt darauf!